Einige persönliche Gedanken zu „Anlasslosen ID-Kontrollen“ der Polizei

Disclaimer: Dieser Text wurde von Einzelpersonen verfasst und nicht mit der ganzen Besetzung abgesprochen. Es gibt keine autorisierte Gruppe und kein beschlussfähiges Gremium, das ‚offizielle Gruppenmeinungen‘ für die Besetzung beschließen könnte. Die Menschen in der Besetzung und ihrem Umfeld haben vielfältige und teils kontroverse Meinungen. Diese Meinungsvielfalt wird daher hier nicht zensiert, sondern kann gleichberechtigt neben einander stehen. Kein Text spricht für die ganze Besetzung oder wird notwendigerweise von der ganzen Besetzung gut geheißen.

Triggerwarnung: Dieser Text beschäftigt sich nit Polizeigewalt und was das mit Menschen machen soll

Ich will mit diesem Beitrag beschreiben, was ich und andere Menschen bei der Begegnung mit Polizei erlebt haben. Ich will Gedanken darüber formulieren, was dahinter steckt, um damit bewußt umgehen zu können.

Immer wieder werden Menschen in der Nähe von Protestaktionen ohne ersichtlichen Grund von der Polizei angehalten bzw. festgesetzt, um die Personalien festzustellen. Meist geschieht dies noch in Verbindung mit Leibesvisitationen und Durchsuchung aller Taschen. Neben der Vermutung, dass diese Maßnahmen durchgeführt werden um mit Stichproben Aktivistis zu „erwischen“ und ein Profil von Personen zu erhalten, die an der Aktion beteiligt sein könnten, haben diese Maßnahmen noch einen weiteren

Zweck:
Repression durch Willkür und Bedrohung
Jede dieser ID-Massnahmen sind ein massiver Eingriff in meine persönliche Freiheit.

Die Polizei als „staatliches Organ“ demonstriert willkürlich seine (All-) Macht an jedem, noch so unverdächtigen, Ort und Menschen und oft ohne jeden Anlass seine Repressionsfähigkeit. Sie demonstriert damit ihre Macht gegenüber jedem Menschen, seine persönlichen Daten, Name, Adresse, Geburtsdatum, Name und Anschrift der Nachbarn festzustellen, zu überprüfen und auch in Zweifel zu ziehen.

Bedrohung
Durch die Androhung und Anwendung von Gewalt bei Verweigerung der Preisgabe meiner persönlichen Daten wird eine allgemeine Atmosphäre der Bedrohung aufgebaut. Die Offenlegung aller persönlicher Daten demonstriert „Big Brother: Wir wissen alles über Dich und wir entscheiden, was wir mit Dir tun. Du bist ein Nichts und uns ausgeliefert.“

Demütigung
Jeder Versuch, sich dieser „Kontrolle“ zu entziehen, durch Weglaufen oder Verweigerung, führt zu körperlicher Gewalt von Seiten der Polizei. Stark schmerzende Handgriffe, wie z.B. die Verdrehung der Arme auf den Rücken u.ä. sind Folter. Dies und die grobe Behandlung persönlicher Gegenstände und Kleidung sind Mittel, die Hilflosigkeit der Menschen zu demonstrieren. Jeder Widerstand dagegen wird oft mit Fixierung und Fesselung mit Kabelbindern gewalttätig unterbunden. Das grobe Abtatschen des Körpers bis hin zur Öffnung der Kleidung, oder sogar ausziehen, sind stressige, oft als übergriffig empfundene Berührungen des eigenen Körpers und haben sadistische Züge. Sich mit ausgebreiteten Armen und weit gespreizten Beinen an die Wand oder an die Polizeiwanne stellen zu müssen, unter Androhung vonGewalt sind Demütigungen. Sie zeigen,dass Du Nichts bist und hilflos ausgeliefert bist. Bei Abwehrhandlungen droht Anzeige wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung (am Polizisten).

Einschüchterung
Das hat nicht nur Wirkungen auf die unmittelbar betroffenen Menschen, sondern auch auf Menschen, die den Protest unterstützen. Es soll Einschüchterung und Angst erzeugt werden. Das Signal ist: jeder Mensch, der in der Nähe des Protestes oder Widerstandes kommt, muss mit diesen Maßnahmen rechnen. Dem Recht auf Protest oder Demonstration wird die Atmosphäre der Repression entgegengesetzt. Der Aufmarsch von einer Übermacht an Polizei soll signalisieren, dass Widerstand zwecklos ist. Es ist ein Hohn, wenn die Polizei in der Presse verbreiten lässt, der Protest sei „friedlich“ verlaufen. Was ist das für ein „Friede“, wenn tausende schwerbewaffneter Polizisten die „Lizenz zur Gewalt“ „in unser aller Namen“ haben ? Die „Gewaltlosigkeit“ ist ein Ausdruck der begründeten Angst der Menschen vor der Gewalt der Polizei. Die Verweigerung der Angabe der persönlichen ID und der Fingerabdrücke ist der Widerstand gegen die Allmacht der Polizei und ihrer Demütigungen, die Menschen von ihr erfahren. Meist hat diese Verweigerung schmerzhafte Folgen die Menschen. Der „freiheitliche Rechtsstaat“bleibt da eine Illusion wo von der machthabenden politischen Seite jede Beschwerde über die unverhältnismäßigen Methoden der Polizei als unbegründet abgewiegelt wird. Die Maßnahmen werden reflexartig als notwendig und rechtmäßig hingestellt.

All diese Erfahrungen sollten nicht dazu führen, sich zurück zu ziehen und den persönlichen Einsatz als Wirkungs- und Sinnlos zu empfinden. Jede dieser repressiven Maßnahmen der Polizei zeigen dagegen, dass der Widerstand Wirkung haben kann. Es ist gut, mit Menschen offen über diese Erlebnisse zu reden und auch über die Ängste, die sie erzeugen. Wir stellen diesem Terror unsere Solidarität entgegen. Niemand ist allein! Wir sind da und lassen uns nicht wegdrücken.

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1 Response to Einige persönliche Gedanken zu „Anlasslosen ID-Kontrollen“ der Polizei

  1. Manuel Vogel says:

    ein sehr, sehr guter Text, vielen Dank!

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