Redebeiträge Demo 04. Oktober

Dieser Text wurde von Einzelpersonen geschrieben. Er spiegelt somit auch nur die subjektiven Meinungen und Ansichten dieser Einzelpersonen und keinesfalls die einer Gruppe oder Bewegung wieder.

Am 04. Oktober fand eine große Demonstration mit über 5.000 Teilnehmer*innen am Dannenröder Wald statt. Folgende zwei eindrückliche Reden von einem Waldmenschen sowie der Tochter des ehemaligen Försters des Dannenröder Waldes wurden im Nachhinein mit uns geteilt, und diese möchten wir auch euch nicht vorenthalten.

Rede von einem Menschen aus dem Wald:

Hallo, mein Name ist Jay und ich bin aus der Waldbesetzung. In unserer Besetzung sprechen alle nur für sich und nicht die gesamte Besetzung, das heißt, ich spreche heute als eine Stimme aus dem Wald.

Es tut richtig gut euch alle hier zu sehen. Es tut so gut zu sehen, wie die ganze Arbeit, die wir seit Wochen und Monaten in unseren Protest stecken, beginnt, Früchte zu tragen. Es gab so viele Momente, in denen wir an unserem Erfolg gezweifelt haben. Sonntage, in denen vielleicht nur 20 Menschen zum Waldspaziergang kamen. Momente, in denen wir zu 2. oder 3. auf dem Baumhaus saßen und überlegt haben, wie lange dieser Wald wohl noch bestehen würde. Und jetzt zu sehen, dass ihr alle hier seid, gibt mir richtig viel Kraft.

Alles, worauf wir uns in den letzten Monaten gemeinsam als Besetzung vorbereitet haben, hat vor 4 Tagen, am 01. Oktober begonnen. An diesem Tag hat die schwarz-grüne Landesregierung begonnen den Herrenwald, oder auch Herrenloswald, wie wir ihn lieber nennen, zu zertrümmern und somit auch unsere Hoffnung darauf, dass sie doch noch zur Einsicht gekommen ist, wie irrsinnig dieses Autobahnprojekt ist.

Aber sie haben am 01. Oktober nicht nur begonnen, den Wald in einem Flora Fauna Habitat Schutzgebiet zu roden, sie haben auch die ersten Baumhäuser zerstört und uns gewaltvoll aus den Baumkronen gerissen. Sie haben damit ein Stück der Utopie, die wir hier in der Besetzung leben wollen, angegriffen. Sie haben damit ein Zuhause zerstört. Denn in den letzten Monaten ist der Herrenloswald, der Maulbacher Wald und der Dannenröder Wald unser Zuhause geworden.

Auch die Szenen von Polizeigewalt der letzten Tage haben mir gezeigt: Die schwarz-grüne Landesregierung ist bereit, ihre Interessen auch notfalls durchzuprügeln. Wir leben in einem Land, in dem die wirtschaftlichen Interessen von wenigen mehr zählen, als die berechtigten Ängste der jungen Generation. In einer Zeit, in der Klimaschutz als wünschenswert, aber nicht essenziell betrachtet wird. Aber wie es ein Aktivisti so passend ausdrückte, als die Polizei mit Schlagstöcken gegen uns vorging: Bei uns könnt ihr drauf hauen, aber mit der Klimakrise geht das nicht.

Und das ist ja einer der zentralen Ironien hier in unserem Kampf für die Mobiltitätswende, dass neben der CDU ausgerechnet die Grünen dafür verantwortlich sind, diesen Wald zu zerstören und diese schrecklichen Bilder der letzten Tage zu erzeugen. Erst am Freitag saß ich im hessischen Landtag mit Matthias Wagner, dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen und sollte mit ihm über die Verantwortung der Grünen in Bezug auf die Klimakrise und die Rodungen sprechen. Herr Wagner hat mir in zehn verschiedenen Variation versucht zu erklären, dass die Grünen nichts machen können und es ja undemokratisch und ungerecht sei, sich nun über den Beschluss für den Bau der Autobahn hinwegzusetzen.

Aber ich frage mich, was ist gerecht daran, dass das sogenannte öffentliche Interesse als Grund dafür aufgezählt wird, dass die Autobahn durch ein FFH und Trinkwasserschutzgebiet gebaut werden darf, aber Klimaschutz und Schutz der zukünftigen Generationen nicht als öffentliches Interesse zählt?

Ich frage mich, was ist gerecht daran, wenn Kakaobohnen in Ghana unter menschenverachtenden Bedingungen angebaut und dann tausende Kilometer über Autobahnen wie die A49 zu Ferrero nach Stadtallendorf transportiert werden? Wenn Autobahnen gebaut werden, die den Boden unseres zerstörerischen Systems bilden, das uns in die Klimakrise katapultiert?

Ich frage mich, was daran gerecht ist, wenn die Pläne für die Autobahn in einer Zeit gemacht wurden, in der die Klimakrise noch kein Thema war?

Die Grünen im hessischen Landtag scheinen jedes Rückgrat verloren zu haben. Sie folgen der CDU wie ein braver Hund. Nichts erinnert mehr an den kämpferischen Spirit, der beispielsweise 1987 zum Vorschein gekommen ist als, wohlgemerkt auch in Hessen, die Grünen die rot-grüne Regierung haben platzen lassen, weil sie gegen Atomkraft waren.

Stattdessen sind es nun auch die die Grünen, die die Räumpanzer anfahren und jahrhunderte alte Wälder für eine Autobahn roden lassen. Zum Abschluss des Gesprächs im hessischen Landtag wurde Matthias Wagner gefragt, ob er schon mal auf so einem Protest wie unserem gewesen sei. Seine Antwort: „nein!“

Und dann fragen sie sich, warum die jungen Menschen komplett ihr Vertrauen in die Regierung verlieren. Sie zerbrechen sich die Köpfe darüber, warum meine Generation einfach keinen Bock mehr hat, brav darum zu betteln, dass Andreas Scheuer doch bitte endlich mal etwas machen solle für den Klimaschutz. Dann wundern sie sich, dass es zu einer Radikalisierung der Bewegung kommt und wir keine Lust mehr haben, Petitionen zu unterschreiben. Denn wir haben verstanden: Wir können uns nicht mehr darauf verlassen, dass die Regierung ihren Job macht.

Und deswegen sind wir hier, um die Mobilitätswende selbst in die Hand zu nehmen. Wir versuchen hier im Kleinen zu leben, was wir uns für das Große wünschen: Ein solidarisches Miteinander, in dem wir uns wieder auf Augenhöhe begegnen können, anstatt aneinander vorbeizuleben und Hierarchien aufzubauen. Eine Gesellschaft, die ihren Konsum hinterfragt und so nachhaltig wie möglich gestaltet. Menschen, die bereit sind, wenn möglich Strecken mit dem Fahrrad oder der Bahn zurückzulegen. Eine Mobilität, die für alle zugänglich ist. Einige von euch sind ja sicherlich auch gestern über die A49 geradelt. Ich habe mir sagen lassen, dass sie sich eindeutig besser als Fahrradstraße als als Autobahn eignet! Was wäre denn damit? Die F49 als offizielle große Fahrradstraße.

Denn das ist das Ding. Die Regierung mag uns versuchen zu räumen, aber unsere Forderungen kann sie nicht mehr ignorieren. Denn der Danni ist jetzt schon dabei zum Symbol zu werden. Zum Symbol dafür, dass in Deutschland endlich der Automobilindustrie die Schranken gewiesen werden müssen. Ein Symbol, das klar macht: Keine neuen Autobahnen mehr! Wir haben mehr als genug Straßen. Ein Symbol für die Mobilitätswende von unten.

Und hinter dem Danni stehen inzwischen tausende von Menschen und Gruppen, die alle hier sein werden, wenn die Kettensägen auch am Danni warmlaufen. Die sich zwischen die Zerstörung und die Bäume stellen werden, um sie zu beschützen und nicht wegweichen werden. Inzwischen sind wir ein unaufhaltbares Bündnis von verschiedenen Gruppen geworden. Hier treffen FFF-Aktivist*innen auf autonome und Anarchist*innen auf lokale Anwohner*innen. Und sie halten zusammen.

Und das ist für mich das besondere an diesem Ort. Dass die ältere Dame aus Dannenrod gemeinsam mit Waldbesetzer*innen darüber beratschlagt, wie sie die Autobahn am besten aufhalten können. Dass es hier eine so große Unterstützung aus der Region gibt, und wir die ersten Wochen des letzten Winter nur so gut überstanden haben, weil Anwohner*innen uns Suppen und warme Getränke vorbeigebracht haben.

Und neben dem inhaltlichen Grund, warum ich hier aktiv geworden bin, ist das der Grund warum ich geblieben bin und diesen Wald bis zum Ende verteidigen werde. Ich habe hier die tollsten, liebevollsten und kämpferischsten Menschen in meinem Leben kennen gelernt. Und genau diese brauchen wir um diesen Wald zu verteidigen und die sozial-gerechte Verkehrswende einzuleiten. Wir sind Menschen, die sich zwischen die Zerstörung und die Bäume stellen werden, weil wenn wir weg sind, steht nichts mehr dazwischen. Ihr könnt versuchen uns unsere Baumhäuser zu nehmen, aber unsere gemeinsame Vision für eine bessere Welt könnt ihr uns niemals nehmen. Der Keim ist gesäht. Wir ALLE bleiben hier.

Rede von Susanne Gellert, Anwohnerin und Tochter des ehemaligen Försters des Dannenröder Waldes

Hallo, alle zusammen, ich bin Susanne Gellert. Und ich würde euch gerne meine Geschichte erzählen, denn die ist unmittelbar, sozusagen familiär mit der des Danni verknüpft. Zumindest für eine ganze Reihe von Jahren, als noch niemand daran gedacht hat, dass wir jemals hier würden stehen müssen und ernstlich darüber sprechen, dass es den Danni, so wie ich ihn seid 60 Jahren kenne, bald nicht mehr geben soll.

Meine Geschichte beginnt im Jahr 1960, als ich, hier hinter mir könnt ihr es sehen, im Forsthaus ankam und aufwuchs. Ich bin die Tochter von Georg Hahn, der von 1941 bis 1993, also 52 Jahrelang, der Förster, oder besser der Hüter des Dannenröder Waldesund zweier angrenzender Reviere war. Insofern bin ich am, mit und in gewisser Weise auch des öfteren im Danni aufgewachsen und trage ihn in meinen Genen und vor allem in meinem Herzen. Man kann es als Försterskind praktisch nicht verhindern, etwas über Wald- resp. Forstwirtschaft zu erfahren und zu lernen. Und was man über den Danni lernen konnte, war insofern etwas besonderes, als dass dieser Wald fast 100 Jahre lang eine Vorzeigerevier war, in das unzählige Forstämter der BRD aber auch aus Österreich ihre Mitarbeiter entsandten, damit die sich erklären ließen und lernten, wie man Forstwirtschaft betreibt, ohne massiv in natürliche Abläufe einzugreifen oder das Ökosystem zu stören und trotzdem damit Geld zu verdienen. Denn genau das wurde hier beinahe hundert Jahre lang äußerst erfolgreich praktiziert. Das galt sogar bis weit in dieses Jahrtausend, als längst neue Nachkommen der adligen Besitzerfamilie das Sagen hatten und ein neuer, aber ebenso dem Naturschutz sich verpflichtet fühlender Förster den Wald übernahm und ebenso weiter bewirtschaftete und zwar trotz der ständigen Bedrohung durch Enteignung wegen der schwachsinnigste Planung für die überflüssigste Autobahn, auf die menschliche Hirne überhaupt jemals nur kommen konnten. Mein Vater war mit 94 Jahren der buchstäblich älteste Kämpfer gegen besagte Autobahn. Er ist vor 5 Wochen gestorben und muss nun glücklicherweise nicht mehr miterleben, wie man seinen Wald und dessen Baumlebewesen, die er fast ein Drittel ihres Lebens gekannt und gepflegt hat, schlicht ermorden und vernichten will. Wobei – es ist schon ein geradezu unheimlicher Zufall, dass mit dem Förster auch der Wald stirbt.

Ich selbst bin gelernte Theologin und weiß, dass unser Schöpfer wirklich allen Menschen Verstand gegeben hat – hoffe ich zumindest – und einen inneren Kompass, mit der Aufgabe, beides zu gebrauchen, damit wir alle diesen Planeten erhalten und bewahren, weil es halt nun mal keine zweite Erde gibt. Insofern ist es billig und wohlfeil, wenn alle, Politiker, deren Lobbyauftraggeber, Presse und auch wir selbst uns unglaublich über die Bolsonaros dieser Welt, die die Regenwälder in Brand stecken, aufregen oder lauthals aufjaulen, wenn in Sibirien die Taiga brennt, aber hier, vor der eigenen Haustür, Veränderungen, die den Klimawandel beschleunigen, wie eben das Abholzen eines kerngesunden uralten Mischwaldes achselzuckend hinnehmen, denn, Hey, es gibt schließlich Verträge und Gerichtsurteile, und die muss man ja einhalten und umsetzen, weil „alles andere ja Willkür wäre“ (Tarek Al-Wazir).

Was ist denn das für eine gequirlter Blödsinn!!! Nach Fukushima hatte Frau Merkel doch überhaupt kein Problem damit gehabt, die Verträge der Atomkraftwerksbetreiber zu kündigen. Oder jetzt, in Zeiten von Corona, macht dieser Staat hunderte von Milliarden Schulden, obwohl wir doch eigentlich den nachfolgenden Generationen eine ausgeglichene Bilanz hinterlassen wollten, die berühmte „schwarze Null“ ? Das geht doch auch alles. Und den Bau einer lange überholten Autobahn kann man nicht stoppen? Das glaube ich nicht. Es gehört nicht einmal besonders viel Mut dazu, sondern einfach nur Wille. Denn wenn mir das Sterben meines Vaters eines gezeigt hat, dann das: Es gibt nur eine einzige Sache auf der Welt und im Leben, die wirklich unumkehrbar ist. Der Tod! Und sonst gar nichts. Alles andere lässt sich ändern, kann man rückgängig mache , muss man neu überdenken und vor allem verhindern.

Deshalb fordere ich die Büttel und Handlanger der Industrie, sie selbst nennen sich Parlamentsabgeordnete und Minister, in Berlin und Wiesbaden auf, ihren von Gott geschenkten Verstand endlich sinnvoll zu gebrauchen, sowie ihr in Jahrzehnten durch langjähriges in Parlamenten-Herumhocken gekrümmtes Rückgrat geradezu machen und einfach „Nein“ zu sagen. Suchen sie mit uns gemeinsam nach einer wirklich vernünftigen, zukunftstauglichen Lösung für Umwelt und Verkehr und hören sie vor allen Dingen auf, denen, die tatsächlich noch eine Zukunft haben, vorzuwerfen und sogar zu verhindern, dass sie mit entscheiden wollen, wie diese Welt in dieser Zukunft auszusehen hat. Das ist hochnäsig und infam und steht Menschen, die meist mehr als die Hälfte ihres Lebens bereits hinter sich haben, einfach nicht mehr zu. Meine Herren Bouffier, Al-Wazir und Scheuer oder wie sie alle heißen mögen. Es ist auch egal, ihre Macht ist eine nur scheinbare und eine vom Souverän, als uns, den Wählern, geliehene. Das wissen sie hoffentlich und diese vermeintliche Macht dauert in aller Rege lauch selten länger als 2 oder 3 Legislaturperioden. Wie armselig kurz ist ihre Wirkungsmacht in diesen wenigen Jahren im Verhältnis zur Lebensleistung eines 300 Jahre alten Baumriesen!

Und den Pressevertretern möchte ich ebenfalls etwas mitgeben, nämlich, dass man irgendwann eine Haltung einnehmen muss, zudem, was um einen herum passiert. Hören sie auf, ständig zu versuchen „ausgewogen“ zu berichten. Das gelingt ihnen nämlich so-wieso nicht. Seien sie mutig und zeigen sie Flagge, nehmen sie sich ein Beispiel an all den Menschen auf und unter den Bäumen, die wissen tatsächlich ganz genau, wofür sie kämpfen und was sie dieser Erde verdanken. Und wenn am Montag wieder die gesamte Staatsmacht hier bis an die Zähne bewaffnet aufkreuzen sollte, werde ich, bevor der Har-vester sein Gemetzel startet, jeden einzelnen Baum segnen und ein Gebet sprechen, denn er ist ein Mitgeschöpf, das soviel mehr erlebt hat als wir alle. Die meisten dieser Mitlebewesen grünten und blüten schon, als es dieses Deutschland, das sich jetzt erdreis-tet, ihren Leben ein Ende zu setzen, überhaupt noch gar nicht gab, sondern ein Flickenteppich war aus kleinen und kleinsten Adels-besitztümern. Ein bisschen Geschichts- und auch Biologieunterricht, Herr Andreas Scheuer und Herr Al-Wazir hätte wirklich ge-holfen. Ein Jurastudium oder ein bisschen BWL ist zu wenig, um die Zusammenhänge in der Welt zu begreifen!

Daher, liebe Menschen und Mitkämpfer, gehen sie mit uns in diesen Wald, lassen sie sich von Menschen, die nicht im Biounterricht geschlafen haben, erzählen, wie viele Tonnen Co2 eine 300-jährige Buche im Laufe ihres Lebens aufgenommen und gespeichert hat. Schauen sie in die Kathedrale des gewölbten Blätterdaches über ihnen, das sich gerade jetzt in den allerschönsten Herbstfarben präsentiert. Tun sie das, solange dieser Wald noch steht, ansonsten kommen sie am Montag und jedem anderen Tag und singen sie mit mir Klagelieder für jedes abgesägte Ästchen und jeden gefällten und ermordeten Baum!

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