Disclaimer: Dieser Text wurde von Einzelpersonen verfasst und nicht mit der ganzen Besetzung abgesprochen. Es gibt keine autorisierte Gruppe und kein beschlussfähiges Gremium, das ‚offizielle Gruppenmeinungen‘ für die Besetzung beschließen könnte. Die Menschen in der Besetzung und ihrem Umfeld haben vielfältige und teils kontroverse Meinungen. Diese Meinungsvielfalt wird daher hier nicht zensiert, sondern kann gleichberechtigt neben einander stehen. Kein Text spricht für die ganze Besetzung oder wird notwendigerweise von der ganzen Besetzung gut geheißen.
Als Prozessbeobachterin und eine der Bezugspersonen von Ella aus dem Kreis der Bürgerinitiative verfolge ich den Prozess gegen die Umweltaktivistin von Anfang an. Immer mehr verfestigt sich mein Verdacht, dass es nicht mehr darum geht, herauszufinden, was Ella getan hat, sondern welche Gesinnung Ella verfolgt. Ella hat in ihrer letzten Prozesserklärung die Frage gestellt, was das denn für eine Art Demokratie sei, die die Zukunft des Planeten und ein gutes Leben der Menschen und aller Lebewesen gefährdet.
Das wird ihr nun „als Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit und Demokratie“ ausgelegt. Als was ist dann die Bemühung einer Rechtsanwältin der UNO zu werten, den Planet Erde als Lebewesen zu begreifen und mit Grundrechten auszustatten, die einklagbar sind? Was passiert mit unserem Planeten, bevor er diese Grundrechte erhält? Werden wir ihn noch bewohnen können?
Die Rechtsverstöße beim Bau der A 49 von Seiten der Firma Deges und der Strabag (die übrigens zu 30% einem russischen Oligarchen gehört ), scheinen für die Staatsanwältin kein Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit darzustellen. (Auch dies erwähnt Ella in Ihrer Einlassung)
Gerade in Deutschland sollte wir sehr vorsichtig sein, etwas mit Rechtsstaatlichkeit zu begründen, denn auch die Hexenverbrennungen oder die Geschehnisse in der NS Zeit waren zu diesen Zeitpunkten rechtsstaatlich, aber noch lange nicht richtig. Warum sollte die Zerstörung von wertvollem Trinkwasser durch Rechtsstaatlichkeit abgedeckt sein? Gehört sauberes Trinkwasser nicht zu den im Grundgesetz abgedeckten Grundrechten auf ein Leben in Würde?
In den Polizeivideos war klar zu erkennen: Ella hat den Polizisten nicht getroffen, kein Kniestoß war zu sehen, vielmehr wurde die Angeklagte durch Karabiner und Faustschlag getroffen, was der Richter ausdrücklich betonte. Dass nun die Staatsanwältin Frau Fischer die Männer des SEK versteht, die sich nicht erinnern konnten, dass sie gesichert waren, ist vielleicht einer Anweisung des Justizministeriums zu verdanken. Wir wissen, dass SEKler Schmerzgriffe anwenden, die nicht zu sehen sind, aber Angst und Panik auslösen. Nach diesen Filmen, in denen man immer sieht, wie Ella ausweicht, sich wegdreht, von schwerer Körperverletzung zu sprechen, ist schlichtweg gelogen, um die unverhältnismäßig hohe politisch motivierte Haftstrafe zu rechtfertigen.
Nach der Katastrophe im Ahrtal, auf die sich Ella in ihrer Erklärung vom 1.3. bezieht, nach täglichen Berichten in den Medien “ Das Wasser wird knapp, Wasser ist das neue Gold“ müsste die Bedrohung des Überlebens der Menschheit im Klimanotstand doch deutlich sein. Dass sich Frau Fischer traut, die „Gesinnung“ von Ella zu bestrafen, ist der blanke Hohn. Ella, die mit einigen anderen Menschen versucht hat, das Gold der Region und die gute Zukunft gegen die industrielle Zerstörung durch unnütze Großprojekte und entgegen kurzfristiger Profite zu erhalten, sollte statt Strafe lieber einen Orden dafür erhalten, dass sie in Kälte, Regen und Schlamm zwei Winter verbracht hat, um unsere Zukunft zu sichern. „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“. Sollte dieser Satz von Erich Kästner wieder zu Unrecht werden? Im übrigen steht- zumindest im hessischen Grundgesetz-, das Recht auf Widerstand.
Anja Kraus, Grebenau