Disclaimer: Dieser Text wurde von mehreren Einzelpersonen in Teamarbeit verfasst und nicht mit der ganzen Besetzung abgesprochen. Es gibt keine autorisierte Gruppe und kein beschlussfähiges Gremium, das ‚offizielle Gruppenmeinungen‘ für die Besetzung beschließen könnte. Die Menschen in der Besetzung und ihrem Umfeld haben vielfältige und teils kontroverse Meinungen. Diese Meinungsvielfalt wird daher hier nicht zensiert, sondern kann gleichberechtigt neben einander stehen. Kein Text spricht für die ganze Besetzung oder wird notwendigerweise von der ganzen Besetzung gut geheißen.
Der Kampf um den Danni ist noch lange nicht vorbei. Zwar haben wir – alle lebenden Organismen, menschlichen und nicht-menschlichen Tieren – derbe Niederlagen durch den Verlust von diversen Lebensräumen erlitten und vielen mögen die Konsequenzen für die Gesellschaft noch immer nicht klar sein. Doch wird immer mehr Menschen die Notwendigkeit einer Verkehrswende und einer ökologischen Lebensgestaltung bewusst.
Wir haben während des letzten Jahres große Teile des Waldes verloren, doch haben wir auch viel gewonnen. Ein tieferes Verständnis für unsere Natur, ein Zugehörigkeitsgefühl, viel Empowerment, und ein umfassenderes Verstehen der Gesellschaft und Verstanden-Sein durch die Gemeinschaft. Außerdem die Erkenntnis, dass unser Staat den Klimaschutz nicht ernst genug nimmt und nachhaltigen Klimaaktivismus, der die massive Naturzerstörung aufzuhalten versucht, als Kriminalakt darstellt.
Wie geht es weiter? – Diese Frage für eine so diverse und nachhaltige Bewegung zu beantworten ist schwierig. So viele Dinge werden geplant, so viele Ideen besprochen und so viele Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen finden zusammen, die der Wunsch nach einem alternativen Lebensentwurf zur jetzigen ausbeuterischen Gesellschaft eint.
Auf Grund der dezentralisierten Organisierung und autonomen Lebensform der Bewegung ist es jedem Menschen, vor Ort und Daheim, möglich den Protest auf individuelle Art und Weise zu unterstützen und voranzubringen. Täglich entstehen neuen Initiativen, Ideen und Arbeitsgruppen, von Fotografen, die Fotobücher zur Dokumentation des Dannis verfassen, von Menschen, die den Protest in ihre Familien tragen oder die einen Danni Podcast gestalten (‘Stimmen aus dem Wald’). Menschen, die von einem Wanderzirkus (‘Danni Musical‘) träumen, die einen Lesekreis gründen, um sich autonom weiterzubilden, die wieder mehr Zeit in der Natur verbringen und ihre Bestimmung in ihrem eigenen Garten wiederfinden oder die ihre Ortsgruppe mobilisieren, ihre politische Bildungsarbeit ausbauen und europaweit Umweltaktionen und Besetzungen unterstützen. Die Liste könnte ewig weiter gehen. Die kreativen Aktionen und Protestformen, die im Dannenröder Wald gelebt und getestet wurden, bieten uns die Möglichkeit uns selbst und den Protest zu reflektieren, Funktionierendes beizubehalten und weiterzugeben, Überholtes zu verbessern und gänzlich Neues zu erproben.
Anders als in den Massenmedien dargestellt, sind weder die Rodung noch der Widerstand abgeschlossen. Der Kampf um Klimagerechtigkeit geht weiter. Hier und weltweit. Die Bäume der Trasse durch den Dannenröder Wald sind zwar gefällt, doch um die A 49 zu erweitern müssen noch immer die Baumstümpfe aus dem Boden gerissen, weitere Bauschritte vollzogen und die Straße asphaltiert werden. Für die im Wald lebende Bechsteinfledermaus und auch für das Protestcamp, die Menschen und die damit verbundenen Strukturen ist der Wald noch immer ein Zuhause.
Bis zum Ende der Rodungssaison Ende Februar ist das Camp noch angemeldet und die Strukturen, wie Awareness, Sanis, KüFa, Infopoint und diverse weitere Task Forces und Projekte bleiben bestehen. Das von Anwohnern zur Verfügung gestellte Gasthaus wird als Struktur weiter genutzt und soll zu einem Regenerationszentrum ausgebaut werden und für alle nutzbar sein. Zudem wird an der Möglichkeit einer Verlängerung oder gar Verstetigung des Protestcamps durch das Jahr 2021 gearbeitet. Die Autobahn ist noch lange keine Realität. Sie ist noch nicht gebaut und unser Protest bleibt standhaft!
Außerdem werden hier vor Ort und auch aus vielen anderen Städten heraus mobile Strukturen und digitale Arbeitsgruppen geschaffen. So arbeitet zum Beispiel die Lantifa (Local Area Network Infrastructure Technology For All) an einer mobilen Support-Struktur für Besetzungen und die Santifa an einem Demo-Sanitäter:innen-Netzwerk, dass Aktivist:innen durch medizinische und psychologische Hilfe breitflächig unterstützen will. Das politische Bildungsprojekt ‘Danni Bildungszweige’ plant derzeit neben vielen anderen Projekten ein zehntägiges Klimacamp im April mit den Schwerpunkten Mobilität und Verkehrswende. Zudem gibt es eine Arbeitsgruppe, die Themenwochenenden organisiert, die Arbeitsgruppe Short.cut, die eine Besetzungs-Vernetzungsstruktur aufbaut, eine Arbeitsgruppe zur ökologischen Baubegleitung und digitale Recherche-Parties zum Zusammenstellen wichtiger Informationen. Um die Erlebnisse und Erfahrungen aus dem Danni aufzuarbeiten, hat sich außerdem ein Teil der Bildungszweige entschieden durch Kunst, Musik, Theater, Geschichtensammlungen oder mobile Ausstellungen den Protest im Danni weiterzutragen.
Rechtlich kann dem Bau der A 49 vermutlich nur noch durch das Argument der Trinkwasserverschmutzung Einhalt geboten werden. Dieses Risiko wird, genauso wie die Zerstörung der Bäume und Baumhäuser von der Politik einfach hingenommen. Die Pfeiler der Brücke, die über das Gleental führen soll, liegen genau zwischen mehreren Brunnen, aus denen eine halbe Million Menschen ihr Trinkwasser bezieht. Einer dieser Brunnen soll sogar gänzlich abgeschaltet werden. Doch die Brücke ist noch nicht gebaut und kann auch nicht gebaut werden, wenn das Gebiet bis Ende der Rodungssaison nicht fertig gerodet ist.
Der Protest im Dannenröder Wald steht für eine Verkehrswende. Dieses Ziel wurde noch nicht erreicht. So ist zum Jahreswechsel die größte Infrastrukturreform seit Jahrzehnten, die laut Bund zu einer zügigeren, effizienteren und wirtschaftlicheren Planung, Genehmigung und Ausführung von Bauprojekten in Deutschland führen soll, in Kraft getreten. 136 Bauprojekte laufen aktuell über die DEGES, weitere 4500 Bauprojekte sollen nun von der Autobahn GmbH verwaltet werden. Ganze 1,8 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt stehen dafür im Jahr 2021 zur Verfügung.
Was bedeutet das für uns?
Das Fernstraßen Bundesamt (FBA) wird sich mit hoheitsrechtlichen Belangen für Planung und Bau der noch geplanten 800 Autobahnkilometern befassen. Ganz im Sinne der Autolobby garantiert Verkehrsminister Andreas Scheuer den Ausbau leistungsfähiger Autobahnen, die – seiner Meinung nach – von den Bürger:innen auch erwartet würden.
Dass im Land mit der weltweit höchsten Autobahndichte noch viele neue Autobahnkilometer gebaut werden sollen ist dabei nicht das einzig Bedenkliche. Mit der Verschiebung der Landeskompetenzen zur Verkehrsplanung auf Bundesebene könnten auch grundrechtliche Probleme auftreten und die als Bundeseigentum konzipierte Autobahn GmbH in eine privatisierte Aktiengesellschaft umgewandelt werden. Als Folge sind neben der Fortsetzung der Umweltzerstörung zu Gunsten der fossilen Mobilität auch die Verschiebung von Allgemeininteressen in private Hand zu erwarten.
Für uns bedeutet Mobilitätswende unseren Lebensraum nicht für überholte, umweltschädliche Bauprojekte aufzugeben. Mobilitätswende heißt Verkehr und Mobilität so zu gestalten, dass sie nachhaltig, umweltschonend und für jeden Menschen gleichermaßen zugänglich und bezahlbar sind. Deshalb muss der fossile Individualverkehr, der uns langfristig mehr schadet als nützt, durch neue Verkehrskonzepte abgelöst werden. Um diesen Gedanken Form zu geben, sind als eine von vielen Aktionsformen, Fahrradtouren zu verschiedenen Besetzungen in Deutschland geplant. Immer mehr Orte des Protestes entstehen, die sich über Unterstützung freuen und in Solidarität mit dem Danni Plattformen und Strukturen errichten, Räume des nachhaltigen und lebendigen Miteinanders schaffen und sich mit uns gegen die kapitalistische Ausbeutung der Natur stellen.
Schon jetzt fahren Menschen mit dem Fahrrad zu anderen Besetzungen beispielsweise in Flensburg, Hamburg und Osterholz. Doch der Klimawandel kennt keine Ländergrenzen – auch in anderen Ländern gibt es Bauprojekte, die Landschaften und Natur zerstören, und Widerstandsbewegungen, die dagegen ankämpfen. Deshalb bemühen wir uns darum, uns international zu vernetzen und zu verbinden. So befinden wir uns zum Beispiel im Austausch mit der ZAD (Zone a Defendre) de la Colline in der Schweiz, welche sich gegen die zerstörerische Expansion des imperialistischen Zement-Riesen Lafarge Holcim stellt und einen Ort geschaffen hat, der die Biodiversität vor Ort verteidigt. Informationen über die Besetzung und Möglichkeiten diese materiell zu unterstützen, findet ihr hier: https://orchidees.noblogs.org/lafargeholcim-deutsche-version/
Der Wandel lebt vom Teilen der Erfahrungen und Fähigkeiten. Deshalb: Vernetzt euch, schließt euch zusammen und lasst uns gemeinsam gegen die Missstände unserer Gesellschaft ankämpfen. Wir können und müssen die Mobilitätswende selbst vorantreiben!
Der Danni bleibt! Sie können uns vielleicht unseren physischen Raum nehmen, aber nie die Energie, die ihn geschaffen hat. Der Wald lebt in uns weiter und all die wunderbaren Menschen und Visionär:innen vor Ort werden unseren Planeten weiterhin mit Herzblut gegen den Zerstörungswahn der Großkonzerne und gegen die von Kapitalinteressen gesteuerte Politik verteidigen. Die Tage werden länger, ein neues Jahr hat begonnen und so wie die Natur im Frühjahr von Neuem zum Leben erwacht, so wird auch die Klimabewegung in Deutschland und weltweit aufblühen. Neue systemkritische Bewegungen und Massenproteste werden entstehen, um die Natur und ihre Lebensräume zu verteidigen. Wir werden nicht aufhören für eine klimagerechte Welt zu kämpfen!
Der Danni lebt! Mit unseren Ideen und Visionen schaffen wir eine bessere Welt. Gemeinsam können wir unsere Utopie verwirklichen!
Ideen für Aktionen (egal, ob vom Sofa, im Wald oder auf der Straße) findet ihr z.B. hier:
- https://aktionschlagloch.blackblogs.org/protestformen/
- https://kreaktivisten.org/
- http://organizingforpower.org/wp-content/uploads/2009/03/da_handbook.pdf
Danke für die Bilder! @pressmarcel
Pingback: Wie geht es weiter? – Ein Bericht aus dem Protestcamp am Danni – Enough 14 D